Ich roch die künstliche Süße von Weingummi in einer vollbesetzten Straßenbahn.

Ich roch die Erinnerung an warmen Rosenduft am Ohr einer Freundin.

Ich sah das blasse Violett verwelkter Wicken an einem warmen Herbstabend.

Ich sah das bläuliche Rosarot eines Hosenbundabdrucks an der Taille einer Frau.

Ich sah das rote Schwarz von prallen Holunderbeeren glänzen.

Ich sah das Weiß der spitzen Zähne im aufgerissenen Maul einer gähnenden Katze.

Ich sah das Grünschwarz einer heranrollenden Wellenwand.

Ich sah das Grün einer Ampel im dunklen Spiegel einer regennassen Straße im April.

Ich sah das Gelb eines einzelnen Ahornblatts auf einem Weg in der Dämmerung.

Ich sah das Rosa eines Plüschschweins in einer Reihe von gelbbraun gestreiften Frischlingen.

Ich sah das von der Sonne erleuchtete Blau in den Augen eines Freundes während unseres Gesprächs.

Ich sah die weiße Watte einer kleinen Wolke in einem gefegt blauen Himmel.

Ich sah das Weiß von Rauhreif auf einem Rasenstreifen morgens um sieben.

Ich roch das Echo von frischem Fisch auf einem leeren Platz nach dem Markttag.

Ich hörte die schrillen Zurufe der Mauersegler.

Ich roch den durch Regen gebundenen Straßenstaub am offenen Fenster.

Ich sah die beigefarbene Nacktheit einer Schaufensterpuppe inmitten türkisfarbener Unterwäsche.

Ich roch zu warm gewordenen Kunststoff in einem Autohaus.

Ich roch meinen Achselschweiß in einem Fahrstuhl für drei Personen.

Ich roch das Grün von frischen Zwiebeln in den Gärten von Die.

Ich roch spätabends für den Bruchteil einer Sekunde frisch gewaschene, noch feuchte Wäsche.

Ich sah das Rot von am Strauch eingetrockneten Johannisbeeren an einem nebligen Oktobertag.

Ich hörte die hellen Bettelrufe eines jungen Seeadlers.

Ich hörte das Geräusch des Windes in Erlenblättern.

Ich sah ein großes grünes Feld.

 

© Anne Schlöpke (veröffentlicht in: Irmgard Dahms, MILIEU, COUNTERPARTS. Bremen 2013)